Montag, Oktober 11

Zukunft im hebräischen Denken

Wenn man sich eine Linie vorstellt und sich selber in die Mitte der Linie stellt, mit dem Gesicht zur rechten Seite hin gewandt, wie definiert man dann Zukunft und Vergangenheit? Was liegt vor mir, was hinter mir. Nehmen wir die Kinder die ich mal haben werde: vor mir oder hinter mir? Die eigenen Eltern? Vor mir oder hinter mir? Oder gehen wir nochmal einen Schritt weiter: Großeltern und Enkelkinder? Wie ordne ich andere Begriffe an: Gewiss oder ungewiss? Bekannt oder unbekannt? Sicher oder unsicher?
Worauf will ich hinaus? Nach unserem westlichen Weltbild ordnen wir die Vergangenheit als eine zeitlich verflossene Größe hinter uns an, und die Zukunft als ebenfalls noch auf uns zukommende zeitliche Größe vor uns. Die Vergangenheit ist bekannt und in gewisserweise statisch, die Zukunft ungewiss, unbekannt und trotz einiger Prognosen, die sich ziehen lassen auf ihren Verlauf, doch sehr unsicher zu bestimmen. Unsere Eltern und Großeltern befinden sich auf dieser Linie hinter uns, die Kinder und deren Kinder vor uns, ihnen gehört, wie man so schön sagt, die Zukunft.
Im Gegensatz dazu baut sich im hebräischen Denken das Verständnis über Zeit und Zukunft relativ konträr zu unserem griechisch geprägtem Bild auf.
Hier ordnen sich meine Eltern vor mir an, meine Großeltern wiederum vor diesen, während meine Kinder sich hinter mir auf der Skala befinden, gefolgt von deren Kindern. Anders als im griechischen Denken gibt es keine Einteilung der Zeitlinie in bestimmte Zeitabschnitte, sondern die Linie wird als ein Weg des Lebens begriffen. Meine Eltern sind auf diesem Weg schon weiter gegangen als ich, meine eigenen Großeltern haben diesen Weg schon vollendet, wie viele andere vor ihnen. Meine Kinder sind noch nicht da, und wenn sie es sein werden, so werden sie doch immer hinter mir sein, was die Vollendung des Lebensweges angeht.

Worin liegt der Unterschied im hebräischen Denken?
- Ich bewege mich nicht in eine ungewisse Zukunft! Diesen Weg sind viele vor mir gegangen und ihnen darf ich in ihren Fußstapfen folgen.
- Die "Alten" werden mir in der Nachfolge zum Vorbild. Anstelle dessen, dass sie ja keine Ahnung haben über meinen Zeitabschnitt in dem ich lebe und über das, was noch kommt, da ihre Zeit längst vorbei ist, darf ich von ihnen lernen, da sie auf ihrem Weg, mit ihrer Erfahrung mir einiges vorraus haben.
- Die Bibel wird verständlicher; als ein Buch mit Lebensgeschichten an denen ich mich auf meinem Lebensweg orientieren darf, von denen ich lernen darf. Sie ist nicht "nicht mehr aktuell", sondern gewinnt, gerade wegen ihrer großen Anzahl an Lebensberichten von Leuten die damals mit Gott ihren Weg gegangen sind, an Aktualität für mich.
- Der Rückbezug der Israeliten auf den Gott ihrer Vorväter wird für mich verständlicher: Ich glaube an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Ich glaube an den Gott, dem meine Vorväter nachgefolgt sind und auf deren Spuren auch ich mich begeben will.

(inspiriert von einer Lehreinheit von Paul Weresch)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Paul Weresch ist wirkilich der Hammer, ich kann diese Reihe immer wieder hören.
Weißt du ob es noch mehr Material von ihm gibt?

Gruß Markus

Andreas Saerdna hat gesagt…

Tach man,
kleine Einführung ist schön, doch ist die Lebenslinie nur ein Konstrukt des Räumlich geprägten Zeitbegriffes des Griechisch Geprägtem Menschen. Trotzdem passt es auf dem Lebensweg. Und die Umkehrung von "vor" und "hinter mir" ist auch immer wieder sehr wichtig.

schau mal hier weiter, ich hab auch was verfasst ;-)
http://geliebterknecht.blogspot.com/2010/10/vergegenkunft.html